Wir suchen uns zu Tode. Ordnung? Fehlanzeige!
Ein Drittel unserer Arbeitszeit verbringen die Deutschen statistisch gesehen mit Suchen.
Das sind 70 Arbeitstage pro Jahr.
Homeoffice macht das Phänomen Chaos noch brisanter.
Ordnung ist das ganze Leben
Herr Müller gehört zu den knapp 30% der Arbeitsnehmer, die sich während Corona plötzlich im Homeoffice wiederfinden. Was bis dahin undenkbar war, ist von heute auf morgen zu seinem Alltag geworden. Gemeinsam mit seiner Tochter teilt er sich nun nicht nur sein häusliches Arbeitszimmer, sondern auch seinen Schreibtisch.
Seine Tochter ist inzwischen glücklicherweise wieder in der Schule und nachmittags im Hort.
Die lästigen Zwischenfragen zu Schulstoff und Hausaufgaben fallen also weg.
Was bleibt, ist die Unordnung auf seinem Schreibtisch. Im Lockdown war das der größte Streitpunkt zwischen ihm und seiner Tochter, bis sie ihn anschrie: „Wieso soll ich aufräumen, wenn Du es doch auch nicht machst!“
Mit diesem Satz knockt ihn seine Tochter aus und er wendet sich verzweifelt an mich.
„Herr Schmid, helfen Sie mir bitte, Ordnung auf meinen Schreibtisch zu bringen!“
Nach einer Studie des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts zum sogenannten „Schlanken Büro“ werden gut zehn Prozent der Arbeitszeit durch „überflüssige oder fehlende Arbeitsmaterialien“ oder „ständiges Suchen nach dem richtigen Dokument in chaotischen Dateiverzeichnissen“ verschwendet.
Die Forschung fand heraus, dass Volltischler etwa ein Drittel ihrer Jahresarbeitszeit für Suchen verschwenden. Das sind 70 Arbeitstage, die sinnlos und uneffektiv dahinplätschern.
Herr Müller erschrickt, als ihm im Coaching bewusst wird, wie viel Zeit er mit Suchen vergeudet. – Denn natürlich herrscht nicht nur auf der Schreibtischoberfläche Chaos, sondern auch in den Schreibtischschubladen, in den Ablagefächern, auf seinem Desktop, in den Regalen, in seinem gesamten Arbeitszimmer und genau genommen in seinem ganzen Leben. Immer wieder ertappt er sich dabei, sich vor Aufgaben zu drücken und sie gekonnt aufzuschieben.
Ordnung befreit
Müller beginnt an seinem äußeren und inneren Chaos zu arbeiten. Er merkt, wie befreiend es ist, den Arbeitstag am Morgen an einem aufgeräumten Schreibtisch zu beginnen. Die Altlasten des Vortages türmen sich nun nicht mehr, um ihn bereits zu erschlagen, sobald er sein Arbeitszimmer betritt.
Mein Satz: „Jedes Ding hat seinen Platz!“ hat bei ihm eingeschlagen und er macht sich motiviert und fasziniert an die Arbeit.
Führungskräfte haben nicht ausgelernt, auch wenn sie das oftmals von sich glauben. Gerade im Homeoffice treten nämlich plötzlich ungeahnte Eigenschaften zutage, die man im Großraumbüro oftmals noch unter Kontrolle hatte. – Unliebsame Zeitfresser fressen sich durch die Arbeitszeit und rauben Energie und Effizienz.
Endlich wieder Kontrolle über mein Leben
Die zunächst sehr klein und unscheinbar wirkende Stellschraube, Ordnung auf seinem Schreibtisch zu halten, zieht nach und nach auch größere Kreise. H. Müllers Worte bekommen wieder mehr Gewicht und Glaubwürdigkeit. Denn nach wenigen Tagen spricht ihn seine Tochter an: „Papa, was ist denn mit Dir los?“ – … und ohne viele Worte, beginnt auch sie ihren Schreibtisch aufzuräumen.
Auch seine Frau bemerkt die Veränderung. Ihr Mann macht plötzlich früher Feierabend.
Das kannte sie nicht mehr. Sie hatte sich damit arrangiert, abends mit den Kindern alleine zu sein. Auf seine Versprechungen gab sie schon lange nichts mehr. Ein stilles Abkommen, das ihre Beziehung und Partnerschaft zusehends belastete.
Völlig überrascht ist sie an einem Freitagnachmittag, als ihr Mann wesentlich früher Feierabend macht und sie mit einem Blumenstrauß überrascht. Glücklich, nachdem er sein Wochenpensum geschafft hat. Und obendrein wird ihn sein Schreibtisch am Montagmorgen aufgeräumt und leer zu neuen Taten erwarten.
Wenn aus Chaos Ordnung wird, strahlt nicht nur der Schreibtisch, sondern auch die Ehefrau.