Ich sitze inmitten von 300 Männern im Freien auf dem Gelände eines Obsthofes. Während der Eigentümer mit der Astschere noch hier und da die Sicht auf die Bühne verbessert, nehme ich den Programmflyer zur Hand.
Ich bin hier, weil ich Michael und Michael im Doppelpack erleben möchte. Den einen, Michael Stahl kenne ich bereits persönlich, Bodyguard, Selbstverteidigungslehrer und überhaupt Kämpfer für Liebe und Versöhnung.
Als „Special Guest“ lerne ich ihn letztes Jahr während einer Benefiz Veranstaltung kennen und bin fasziniert von so viel Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit. Seine Geschichte – die Versöhnung mit seinem gewalttätigen Vater – bewegt und begeistert mich. Im persönlichen Gespräch bringt er manche meiner Glaubenssätze ins Wanken – gefährlich ehrlich.
Auf Michael Sternkopf, seinerzeit eines der größten Talente der Fußball-Bundesliga, Deutscher Meister mit dem FC Bayern München und U21-Nationalspieler bin ich jetzt gespannt. Aus den beiden Vor- und Nachnamen der Referenten leitet sich das Motto des Männertages ab: MiSt.
Ich habe nie gelernt, mit Niederlagen umzugehen
Zu Beginn des Männertages erzählen uns ein paar Männer aus dem Team ganz spontan aber sehr persönlich davon, wo sie in letzter Zeit „Mist“ gebaut haben. Und diese ausgesprochen ehrliche Atmosphäre setzt sich in dem fort, was uns Michael Sternkopf aus seinem Leben berichtet.
Der einstige Profifußballer musste seine Karriere wegen Hüftproblemen aufgeben, 2011 folgt ein Burn-out. Ein Leben zwischen Leistung und Versagensangst. Entweder ganz oder gar nicht.
„Wenn Du Erfolg um Erfolg einfährst, dann scheint die Siegeswelle nie mehr abzuebben. Doch ich habe nie gelernt, mit Niederlagen umzugehen. Im Profifußball gibt es keine Ehrlichkeit und keine Freundschaften. Jeder kämpft für sich.“
Ich bin noch nie gescheitert
Während ich Michael zuhöre, schiebt sich eine andere Szene vor mein inneres Auge: seit mittlerweile sieben Jahren, nach meinem beruflichen Totalcrash erlebe ich, wie Menschen zu mir ins Coaching kommen. Sie kennen meine Geschichte und gerade deshalb habe ich den Eindruck, trauen sie sich, ehrlich zu werden. Immer öfter höre ich ehrliche Geschichten über Scheitern und Mist im Leben. Gefährlich ehrlich kann ich sein, wenn ich einen sicheren Ort habe, an dem mir jemand zuhört, ohne meinen Mist zu bewerten.
Da erzählt mir eine Führungskraft: „Ich bin noch nie im Leben gescheitert!“ „Ich wusste bis dato nicht, wie sich eine Niederlage anfühlt!“ Jetzt sitzt er vor mir, am Boden zerstört, ratlos, hilflos, hoffnungslos. – Gescheitert und einsam! Doch der „Schutzraum Coaching“ ermöglicht es, Gedanken und Gefühle in Worte zu fassen, auszupacken, gefährlich ehrlich zu werden. – Den „Mist“ beim Namen zu nennen.
Hier bin ich zunächst als Zuhörer gefragt, da sein, aushalten, sortieren. – Erst im Laufe des Coaching-Prozesses wird sichtbar, dass Mist auch Dünger für etwas Neues sein kann.
Mist fördert Wachstum
Vor etlichen Jahren beschenkten Freunde uns mit einem Rebstock für unseren Garten. Sie hatten das nötige Handwerkszeug dabei, nahmen ihren Spaten zur Hand und gruben ein Loch. In dieses Loch pflanzten sie ganz behutsam den kleinen Weinstock. In einem großen Eimer hatten sie Pferdemist mitgebracht und mischten diesen Mist unter den Mutterboden.
Ausgerechnet dieser Mist trug dazu bei, dass aus dieser kleinen Pflanze zwischenzeitlich ein wunderschöner Weinstock wurde, der heute ausgezeichnete Früchte trägt. – Mist muss Wachstum nicht zwangsläufig verhindern, sondern kann Wachstum auf erstaunliche und einzigartige Art und Weise fördern.
Mist kann zu Dünger werden
Wie gehen Sie als Führungskraft mit Fehlern um? Denken Sie im Stillen: „So ein Mist!“ „Das hätte nicht passieren dürfen?“ – Warum eigentlich nicht? Genau dieser Mist kann zu bestem Dünger werden!
Schau Deinen Mist an, halte den Gestank aus und dann geh und schau, wie Du ihn in Dünger verwandeln kannst.
Konkret
- Welche Form der Fehlerkultur möchtest Du als Führungskraft vorleben?
- Darfst Du selbst Fehler machen?
- Wie gehst Du mit dem Mist Deines (Arbeits-)Lebens um?
- Dürfen andere Menschen davon wissen?